Ich gehe eine Promenade entlang, als ich luzid werde. Es geschieht unvermittelt. Mir ist auf einmal sonnenklar, dass ich träume. Ein Spaziergang am Strand, der Versuch, eine Zeitung zu lesen und merkwürdige selbstfahrende Taxis spielen in diesem Luziden Traum aus dem Jahr 2017 eine Rolle…die Zukunft scheint schön zu sein, ist aber unfrei.
Heidelberg, 2017
Qualität: Luzider Traum
Mehr Traumberichte wie die hier (Selbstfahrende Taxis)? Gern. >> Hier<<.
Traumerinnerung steigern? Gern. >>Nochmal hier<<.
Es geschieht bei mir eher selten, dass ich unvermittelt in einem Klartraum „aufwache“ und merke: Huch, ich träume! Meist geht dem ein Ereignis voraus, das mich ins Grübeln bringt. Hier, in diesem Traum, gehe ich einfach nur eine Strandpromenade entlang und bin förmlich vom atemberaubenden Anblick purer landschaftlicher Schönheit erschlagen.
Vielleicht war es das! Schönheit macht wach. Nein, das ist kein Werbeslogan für Gesichtscreme, sondern meine erste Erkenntnis in diesem Traum. Der Strand, den ich da vor der Nase habe, ist unglaublich schön. Es gibt eigentlich kaum einen Grund für die eigene Existenz, nochmal in den nächsten Äonen die Location zu wechseln, aber dennoch probiere ich ein paar Sachen aus. Ich schaue mir zunächst alles genau an.

Selbstfahrende Taxis, KI-Brillen im Sand, Kontrolle ohne aufdringlich zu sein.
Etwas, das ich immer wieder empfehle, wenn ich mit Menschen über Luzides Träumen spreche. Klar, tobt euch aus und erlebt Abenteuer! Aber genießt auch mal nur den Anblick. Es ist einfach faszinierend, wie klar und hyperrealistisch die Umgebung plötzlich aussieht. Da kommt die Grafikkarte deiner tagtäglichen Realitätsverarbeitung nicht ran! Du kannst nämlich ganz nah an Gegenstände heranzoomen, sie in Details und Genauigkeit wahrnehmen, wie das sonst nur unter dem Mikroskop möglich ist.
So setze ich mich erstmal irgendwo in den Sand und schaue mir Steine an. Dann gehe ich herum und spüre, wie mir der Sand vom Bein rieselt – unglaublich! Und da die Wahrnehmung gerade so gut funktioniert, sprinte ich im Eiltempo zu einigen Geschäften. Ich entdecke einen Kiosk, der Zeitschriften und Groschenromane verkauft.
Übrigens bin ich scheinbar allein in dieser Umgebung. Der Kiosk hat nicht den typischen schlecht gelaunten Kioskbesitzer hinter dem Tresen, sondern stattdessen sehe ich da nur eine Wand und einige blinkende Leuchten.
Bevor ich eine Zeitung greife, denke ich darüber nach, wo ich überhaupt bin. Ich lasse den Blick schweifen. Der Strand scheint Teil einer sehr großen Bucht zu sein. Im Hintergrund erkenne ich im Schimmer der Sonne einige große Häuser. Schweben dort Autos? Ich erkenne zumindest eine Art Magnetschwebebahn. Als Assoziation fällt mir Dubai ein – allerdings nochmal um einiges futuristischer. Anscheinend befinde ich mich in einer Art Sci-Fi-Zukunft.
Das bemerke ich auch, als ich eine Zeitung greife. Sie fühlt sich mehr an, wie eine Art Hologramm. Ich bekomme den Eindruck, dass dieser Kiosk lediglich nostalgischen Zwecken dient. Obwohl ich Papier in den Händen halte und sich das auch sehr realistisch anfühlt, flimmert die Zeitung etwas in meinen Händen, scheint sich meinen Bewegungen immer mit ein paar Millisekunden Verzögerung anzupassen.
Ich schlage die erste Seite auf und erkenne das Bild eines Mannes, der ein grünes Hemd mit hellbeiger Hose trägt und eine gelbe Baseballkappe. Daneben steht gewurschtelter Buchstabensalat. Das Erkennen von Buchstaben und Zahlen ist leider auch in luziden Träumen stets etwas schwierig. Ich schnappe nach einiger Zeit der Konzentration folgende Information auf: „Die Freizeitgestaltung ist weiterhin angepasst genießbar. Input.“
Das ergibt für mich keinen Sinn und ich lege die Zeitung zur Seite. Dann schaue ich mir einen Groschenroman an. Die Überschrift, „Wohl und Würde der Kronenuschi – die zweifelhafte Tugend, dritter Teil“ ergibt zwar ebenso wenig Sinn, bringt mich aber immerhin zum Lachen. Ich ziehe die Hände weg und augenblicklich dematerialisiert sich das Heftchen und erscheint im Sortiment des Kiosks.
Ich gehe wieder in Richtung Strand und schaue über die dunkelbläulich schimmernde Silhouette der Stadt. Mir kommt der Gedanke: Das könnte tatsächlich die Zukunft sein. Wie fühle ich mich in dieser Zukunft? Eigentlich gut, aber nicht frei. Natürlich genieße ich den visuell tiefen Realismus von allem, was ich mir ansehe. Das kann ich textlich kaum wiedergeben. Alles hier ist vollkommen real. Ich kann jedes Sandkorn einzeln aufnehmen und geduldig betrachten. Ich scheine alle Zeit der Welt zu haben. Luzide Träume sind einfach … cool. 😉
Die Zukunft, die ich hier wahrnehme, ist indes nicht frei, sie findet innerhalb technischer Rahmenbedingungen statt, die ich nirgends hinter mir lassen kann. Selbst, als ich ins Wasser gehen, scheint die Strömung, die Wasserqualität, das, was sich im Wasser an Leben bewegen darf, von einer KI reguliert zu sein. Ich spüre förmlich, dass ich von einer technischen Instanz geschützt werde. Haie oder giftige Quallen werden durch feine resonanz-elektromagnetische Impulse davon abgehalten diese Bucht aufzusuchen. Spitze Steine werden von kleinen, schwimmenden Drohnen aus meinem Weg geräumt. Ich bekomme die Information, dass jeder meiner Schritte beobachtet, analysiert und antizipiert wird, sodass mir gar nichts passieren kann. Ich nehme eine scheinbar mit mir verbundene technische Einheit wahr, die konstant mikroskopisch kleine Beträge von meinem Konto abbucht, in der Höhe abhängig von dem, was ich gerade tue. Das scheint eine Art KI-Versicherungssystem zu sein. Die Versicherung stellt durch komplexe Berechnungen sicher, in Kooperation mit einem größeren System, dass mir nichts passiert, egal, was ich mache oder wo ich gerade bin.
Das so wahrzunehmen, ist für mich kaum fassbar und recht „erschlagend“. Das fühlt sich einerseits gut an, völlig sicher leben zu können, auf der anderen Seite nagt es sehr an meinem Selbstverständnis als freier Mensch. Ich habe schließlich das Recht, mich einer selbstkalkulierten Gefahr auszusetzen – dieses Recht scheint mir vollkommen genommen worden zu sein.
Ich verlasse den Strandbereich und komme auf eine Straße hinter dem Boulevard. Die Straße sieht sehr sauber und gepflegt aus, im Kern aber immer noch geteert, wie ich es aus dem 20. Jahrhundert kenne.
Überhaupt ist hier alles sehr sauber. Auch wenn ich sie nicht sehe, vermute ich, dass hier Nanoroboter unterwegs sind, die jedes Partikel mehrmals am Tag auf Hochglanz polieren. Das kommt mir folgerichtig und logisch vor. Eine konsequente Weiterentwicklung des allseits beliebten Staubsaugerroboters – nur zehntausendmal effizienter.
Ich sehe mehrere selbstfahrende Taxis. Ein gelbes Taxi hält vor mir. Die Tür öffnet sich. Ja, denke ich mir, ich möchte etwas die Stadt erkunden.
„Guten Tag“, sagt eine elektronische Stimme. „Ihrem Wunsch, mehr von der Stadt zu sehen, wird mit wohlwollender Zuneigung entsprochen. Wir wünschen viel Vergnügen. Sie fahren mit Google-Taxi.“
Für einen Moment bin ich irritiert, fange mich aber schnell. Natürlich kann die KI der Zukunft meine Gedanken lesen. In welcher Qualität weiß ich nicht. Aber Intentionen allein aus dem Verhalten abzuleiten ist ja bereits heute möglich. Wieder fühle ich mich zwar sicher, aber keineswegs frei. Der Service, dass mir von der städtischen KI ein Taxi zur Verfügung gestellt wird, ist fast schon ein bisschen eine Beleidigung für mich.
Trotz regt sich in mir und ich bin geneigt, das Angebot abzulehnen, nur um meinen freien Willen unter Beweis zu stellen!
Das Taxi reagiert unmittelbar: „Da dies ihre erste Fahrt mit unserem Dienst ist, spendiert Ihnen Google Benefits eine Gratisfahrt von einer Stunde. Zudem erhalten Sie kostenlos Sekt aus der Minibar.“
Verdammt – sie haben mich! Ich setze mich ins Taxi. Die Tür schließt sich und in der Mittelkonsole füllt sich automatisch ein Glas Sekt.
„Ich möchte Bier“, sage ich.
Der Sekt klappt nach unten weg und eine gekühlte Flasche Bier schnellt nach oben. „Benefit Tausch akzeptiert. Gratis-Bier für eine Stunde“, sagt die KI.
Ich grinse.
Das Taxi setzt sich in Bewegung. Zwischen den Häuser kann ich immer wieder den Strand erkennen. Dann steigen wir plötzlich etwas. Zuerst denke ich, wir würden fliegen, doch wir fahren auf eine Brücke, die uns schneller in Richtung Stadtkern führen soll. Wir halten. Nach etwa einer Minute Stillstand öffne ich das Dachfenster und schaue mich um. Vor und hinter mir sehe ich zahlreiche Autos, die so aussehen, wie meins. Sie sind alle unbesetzt und es sind alles selbstfahrende Taxis. Und jedes dieser Taxis trägt ein penetrant sichtbares Logo auf dem Dach und jedes dieser Logos erkenne ich als eine mir bekannte Tech-Firma. Ich selbst fahre mit Google. Vor mir steht ein Facebook-Taxi. Davor steht ein Apple-Taxis. Hinter mir steht ein Yahoo-Taxi. Usw. Jedes Taxi sieht baugleich aus, unterscheidet sich nur durch das Logo auf dem Dach.
Unmittelbar steige ich aus dem Taxi. Ich werde nicht daran gehindert, den Weg zu Fuß zu gehen. Natürlich nicht. Körperliche Kontrollmechanismen sind in der Zukunft obsolet geworden. Kontrolle wird allein über die Psyche ausgeübt. Aber zumindest in meinem Traum funktioniert das nicht mehr. Ich erkenne diese Stadt als Verschmelzung von realer mit virtueller Welt mit subtilsten Kontollmechanismen alle paar Nanometer! Aber, so denke ich, sind es nach wie vor mechanische Herangehensweisen. Ich entscheide mich bewusst, den Traum zu verlassen. So faszinierend schön er auch war; es ist besser, einen anderen Traum von der Zukunft zu träumen. Ganz sicher.
Einschätzung (Traum: Selbstfahrende Taxis und eine penetrante KI):
Wow, was für eine Erfahrung. Luzide Träume sind eine Klasse für sich – sozusagen der Ferrari unter den Träumen, um in der mechanischen Autometaphorik zu bleiben. Genauso anziehend sie auch sind, genauso verlockend war auch die Welt, von der ich geträumt habe. In meiner Beschreibung kam sie sehr technisch und steril rüber. Das war sie im Traum nicht völlig. Ich hätte nichts dagegen, ein ganzes Leben in so einer Welt zu verbringen. Sie bot eine Fülle an Möglichkeiten und die Grenzen, die sie gesetzt hat, schienen mir nur um das eigene leibliche Wohl zu kreisen. Damit wäre ich für ein Leben „okay“ gewesen. Darüber hinaus schien sie keine Grenzen zu setzen. Selbst wenn ich die sichere systemgesteuerte Welt verlassen hätte, hätte die KI vermutlich lediglich meinen Versicherungsschutz gestrichen. Mehr wäre nicht passiert.
Da ich nicht tiefer in die Traumrealität eingestiegen bin, steht für mich ihre Qualität im Vordergrund. Hyperreale Träume sind genau das, was jeder luzide Träumer erreichen will. Damit meine ich: Du bist dir als reales Wesen bewusst und lebst und erkennst alles exakt so wie im normalen Wachzustand. Und jetzt nimm diese „normale“ Erfahrung Mal 100 – dann hast du das, was du eine – ich möchte sagen – im wahrsten Sinne des Wortes echte Realität nennen kannst. Leider enden diese Realitäten auch irgendwann, so wie auch unsere Realität. Bislang war es immer so, dass ich selbst die Traum-Realitäten beendet habe. D.h. sie ist nicht einfach so wieder in eine Trübrealität übergegangen oder ins Unbewusste abgedriftet, nein, sie hat auf ein „Eingabe: Beenden“ gewartet. Das ist und bleibt einer der interessantesten Aspekte von Luziden Träumen.
Ob ich jemald selbstfahrende Taxis nutzen werde, wenn sie denn marktreif sind? Nun ja, na klar. Aber ich werde auch wieder aussteigen.
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